Landkreis-SPD informiert sich über barrierefreie Informationstechnik im Berufsförderungswerk Würzburg/Veitshöchheim

Der Vorstand der Landkreis-SPD beim Brillenexperiment

09. März 2017

Für einen kurzen Moment war Abdu Bilican hochgradig sehbehindert. Er zeigte sich erleichtert als er die Brille, die diesen Sehzustand (2 bis 5 Prozent Sehvermögen) simulierte, wieder abnehmen konnte. „Nur noch Schatten und Umrisse sieht man, das ist ja brutal wenig, keine Chance auf dem Handy zu lesen oder auf einem Bildschirm etwas zu erkennen“, so Bilican, der Kreisvorsitzender der Jusos ist. Das, was für Bilican eine Momentsache war, das ist für 500.000 Menschen in Deutschland, die blind oder sehbehindert sind, leider Alltag.

Auch die Kolleginnen und Kollegen von Bilican aus dem Vorstand der Landkreis-SPD bewegten die Auswirkungen des Brillenexperiments. Schwere Sehbehinderung oder gar Blindheit verändern das Leben radikal und erfordern hohe Anstrengungen, um trotz des massiven Handicaps Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wie dies gelingen kann, stand im Mittelpunkt eines Vorstandstreffens der LandkreisSPD beim Berufsförderungswerk Würzburg gGmbH (BFW) in Veitshöchheim.

Nach der Begrüßung durch Irene Girschner, im BFW zuständig für Marketing, stellte Peter Grieb, Leiter Qualifizierung im BFW, die Einrichtung vor. Wichtigste Aufgabe des BFW ist es, blinde und sehbehinderte Menschen zu beraten, sie für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren und sie dort zu integrieren. Verschiedene Umschulungsberufe können erlernt werden, die meisten mit einem IHK-Zertifikat oder einem Hauszertifikat. Im Bereich der Integration gehe es um die Sicherung bestehender Arbeitsverhältnisse und um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Integrationsmanager seien bundesweit im Einsatz. Im Zuge einer Reorganisation des BFW Würzburg werde derzeit das neue Reha-Modell „Prävention vor Reha vor Rente“ erprobt, das die Prävention in den Vordergrund rückt.

“Was bedeutet Digitalisierung für einen blinden Menschen? Wie kann ich als Blinder das Handy nutzen? Was ist mit barrierefreiem Internet?“ Diese Fragen beschäftigen die IT-Experten des BFW, die Produkte und Angebote entwickeln, um für barrierefreie Informationstechnologie zu sorgen. Monika Weigand und Ernst Heßdörfer vom BFW zeigten dann in einer Live-Vorführung, was es bedeutet, wenn Internetseiten nicht für blinde und sehbehinderte Menschen geschaffen sind. Im schlechtesten Fall bekommt der Blinde überhaupt keine Information. „Erfreulicherweise“, so Monika Weigand, „entwickeln sich PDF-Dateien immer mehr zum Standard und mittels eines Screen-Readers können deren Texte in Sprache umgesetzt werden. Dies ist mittlerweile keine Hexerei mehr“, so die Fachfrau. Man müsse beim Erstellen von PDF-Dateien nur gewisse Dinge beachten, dann schaffe man es, dass auch Blinde sich im Internet informieren können. Auf eine andere Entwicklung des BFW machte Peter Grieb aufmerksam, als er seine Gäste auf QR-Codes an den Türen hinwies. Diese könnten über die Handykamera gelesen werden. „Mit der dazugehörigen App ist es möglich, Wege anzuzeigen und Begrüßungstexte über das Handy abzuspielen“, so Grieb. Die Gäste des BFW waren beindruckt, als sie plötzlich vom Handy Griebs persönlich begrüßt wurden.

In der sich anschließenden Diskussion wollte Landtagsabgeordneter Volkmar Halbleib, Vorsitzender der Landkreis-SPD, wissen, ob es genügend Arbeitgeber gibt, die die umgeschulten Arbeitnehmer anstellen. Peter Grieb antwortete mit einem „Jein“. Im technischen Bereich sei die Vermittlung bei 100 Prozent, im Verwaltungs- und kaufmännischen Bereich gebe es Vermittlungshemmnisse. Grieb machte deutlich, dass die Demografie, so wie sie sich derzeit entwickelt, eine Riesenchance sei. Firmen sind für Menschen mit Handicap jetzt offener, da sie Besetzungsprobleme haben. Der künftige Fachkräftemangel wird die Vermittlungschancen noch weiter verbessern. Nicht ganz so glücklich war Grieb über die Entwicklung der Kostensätze. Diese halten nämlich nicht mit den Kostensteigerungen mit, ein Phänomen, das seit ungefähr zehn Jahren zu beobachten sei. „Nur 80 Prozent der Kosten“, so Grieb, „decken die Rente, die Bundesagentur und die Berufsgenossenschaft“. Ein Problem sei, dass Kostensteigerungen nicht über die Erhöhung der Erstattungen ersetzt würden. Sibylle Brandt, Mitglied des Vorstands der Landkreis-SPD und zugleich bayerische Landesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv - Menschen mit Behinderung in der Bayern-SPD informierte darüber, wie wichtig es sei auch Bahnhöfe mit den neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten für Blinde und Sehbehinderte zu versorgen. Die Arbeitsgemeinschaft sei diesbezüglich im Gespräch mit der Bahn.

Foto: BFW Girschner

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